Gesund – krank: Wer hat die Definitionshoheit? Gesund – krank – verrückt – normal. HiX fragt, wer bedient diese Sortiermaschine? ... ist dem LEU bekannt. Mehr auf S. 39. 100-prozentige Führungsposition, daneben ein Buch schreiben, zwei eige- ne Kinder betreuen, Haushalt erledigen und das Haus umbauen... 100% Pflegetätigkeit, die eigene kranke Mutter (ehrenamtlich) pflegen nebst zwei Kindern, haushalten und sich auch noch künstlerisch betätigen... Studium, Arbeit, depressive:n Part- ner:in und Pflegepferd managen, gleich- zeitiger Umzug, Haushalt und Schicksal eines an krebserkrankten Bruders... etc. Unzählige Beispiele, in denen wir uns masslos überfordern, immer mehr auf- bürden, dies aber niemals eingestehen, geschweige denn körperliche Warnsig- nale ernst nehmen. Nicht auf die Bremse treten, nicht stoppen, nicht Grenzen set- zen können und damit unser wichtigstes Gut – unsere Gesundheit – kontinuier- lich aufs Spiel setzen. Warum muss der Leidensdruck erst in eine Krankheit münden, damit wir aufwachen? Wurde uns der Kapitalismus, die Leis- tungsgesellschaft – immer noch mehr, noch schneller, noch besser, noch per- fekter, noch schöner, noch höher, noch professioneller... etc. schon sooo tief indoktriniert? Gibt es dabei eine menschliche Grenze? Sind diese kapitalistisch leistungsorien- tierten, indoktrinierten, gesellschaft- lichen Norm-, Wert- und Normalitäts- vorstellungen heute evtl. an einem Grenzpunkt angelangt? Wie äussert sich ein entsprechender Kollaps? Perfektionismus, Unersättlichkeit, Ig- noranz, Zeitalter, in dem narzisstische Persönlichkeiten florieren, gehypt wer- den bzw. indoktrinierte, toxische Ge- sellschaftsideale gelten, an denen wir uns (die Gesellschaft sich) orientieren: – die alle anderen als Weicheier:innen, Schwachmaten:innen, Sensibelchen ab- tun, belächeln, degradieren, die in die- ser Gesellschaft nicht überleben können (bzw. der Einfachheit halber als krank abgestempelt werden)... – gegeneinander statt miteinander… – die Privilegierten, Möchtegernstar- ken, ach so coolen (Emotionen unter- drückenden) Eliten, Ignoranten bis zum Exzess, die alles und jedes niedersehen, niedermachen, versklaven – auf der ei- nen Seite... – die Unterlegenen, Schwachen, Sensi- blen, Bewussten, Verzweifelten, Emo- tionalen (instabilen), Unterdrückten, Versklavten – auf der anderen Seite... Wo fühlst du dich da zugehörig? Wie soll das weitergehen? Wo führt das hin? KI (Künstliche Intelligenz), um den Menschen noch unbrauchba- rer zu machen? KI als Königsdisziplin bzw. kompletter Abbau von Emotionen, Emotionalität – das, was uns doch als Menschen eigentlich ausmacht, aus- zeichnet!? Bzw. als kompletter Abbau des Sozialstaates!? Der schleichende, kontinuierliche (unaufhaltsame!?) Ab- bau davon ist sowieso längst im Gange – Working Poor – in modernen Industrie- ländern wie der Schweiz im Jahr 2023. Wie kann das sein? Moderne Sklaverei? Immer mehr psychische Erkrankun- gen, die dennoch weiterhin (parado- xerweise) ein Tabuthema bleiben. Denn psychisch krank ist ja niemand – und dennoch haben wir alle Anteile davon in uns: Kennen wir nicht alle Momente der Niedergeschlagenheit, euphorische Hochphasen, Gedankenkreisen, zer- streute, selbstdestruktive oder depres- sive Momente, Phasen, Verstimmungen etc.? Und wären wir insgeheim – im tiefsten Inneren – nicht alle gerne ein bisschen mehr verrückte Freaks, Freakinnen oder brauchen, um diese Anteile von uns zum Vorschein zu bringen, zulassen zu kön- nen, en masse Alkohol, Drogen, what ever? Oder anders formuliert: Leben die von unserer Gesellschaft offiziell als verrückte Freaks, Freakinnen diagnos- tizierten nicht insgeheim menschliche Anteile, die alle Normalos, Normalo- innen massivst unterdrücken? Und ab wann nun gilt denn was über- haupt als verrückt bzw. krank? Wer hat die Definitionshoheit darüber und wie- so? Oder um hier (vorläufig) zu einem Punkt zu kommen, wie Andreas Knuf es in seinem Werk* in einem abschlies- senden Plädoyer zur Frage danach, was denn eigentlich «krank» bzw. «gesund» sein soll, gemäss WHO festhält: «Voll- kommenes physisches, geistiges und soziales Wohlbefinden». Damit werden wir nach Knuf alle zu «Kranken» ge- macht – denn, wenn wir ehrlich sind, wem gelingt es schon, diesen Zustand tagelang aufrechtzuerhalten? Daraus nun resultiert letztlich ernsthaft die heu- te noch geltende Kategorisierung der Menschen in «krank» und «gesund»!? – krank. *Knuf, Andreas: Gesundung ist möglich!, Köln, 2012 (4. Auflage), 212 S., ISBN 978-3-86739- 034-7, ca. CHF 20.00. LEU 02/2023 LEU 02/2023 Auflösung August-Wette: 65'000 km. 33 33